Ein digital integriertes Gesundheitswesen, das den Patienten ins Zentrum stellt, dreht sich nicht allein um die Optimierung der Versorgungsprozesse. Damit Probleme gar nicht erst entstehen, sind präventive Maßnahmen gefordert. IHE [1]-basierte Integrationsplattformen verbessern die Kommunikation zwischen Leistungserbringern und tragen dazu bei, ein reaktives Gesundheitswesen in ein proaktives zu verwandeln.
Leistungsfähige Primärsysteme wie digitale Klinik- und Arztsysteme sind eine wichtige Voraussetzung für die bessere Versorgung von Patienten. Noch wichtiger im Hinblick auf die Versorgungsqualität ist jedoch ein gutes Zusammenspiel der unterschiedlichen Systeme. Angesichts immer älter werdender Menschen und immer längerfristiger Krankheitsverläufe genügt es nicht mehr, dass Informationen nur in einer Einrichtung vorliegen. Die nachfolgenden Behandler müssen wissen, was schon passiert ist, es muss Rückmeldungen an den Hausarzt geben und die Möglichkeit für Patienten, besser zu verstehen, was mit ihnen passiert. All das erfordert eine Integration der unterschiedlichen Datenquellen, von den klinischen Primärsystemen bis hin zu Tools in Patientenhand.
Eine solche übergreifende Vernetzung scheitert auch heute noch häufig an der Interoperabilität. Allmählich setzt sich in Deutschland allerdings die Erkenntnis durch, dass Standardisierungsbemühungen wie jene von IHE außerordentlich wichtig sind, denn erst flächendeckende Standards ermöglichen einen effizienten Datenaustausch. Digitale Innovationen wiederum treiben die Entwicklung von Standards vor sich her. FHIR [2] zum Beispiel ist auch deshalb ein großes und sehr lebendig diskutiertes Thema geworden, weil es eine sehr einfache Möglichkeit für die Anbindung von Apps bietet. Das ist aus unserer Sicht ein ganz wesentlicher Punkt: Wir brauchen eine IT-Landschaft, die es erlaubt, von der auf Leistungserbringer zentrierten Versorgungswelt hin zu einer Welt zu kommen, in der der Patient im Mittelpunkt steht.
Der zentrale Baustein eines digital integrierten patientenzentrierten Versorgungswesens in Deutschland ist eine konsolidierte Interoperabilitätsplattform. Wir können diese Anforderung mit unserem Produktportfolio rund um HealthShare bedienen. Wie das aussieht, zeigt beispielsweise das GeN-Projekt von AOK Nordost, Sana und Vivantes (Link: https://www.intersystems.com/de/news-events/news/nachricht/die-digitale-gesundheitsakte-fuer-aerzte-und-patienten-ist-an-mehreren-berliner-geburtskliniken-in-der-praxis-angekommen/), an dem wir als Lösungspartner beteiligt sind. Dabei geht es unter anderem darum, Schwangere über einen digitalen Mutterpass auf dem Weg zur Geburt zu begleiten und sehr unterschiedliche Beteiligte zu vernetzen – Ärzte, Krankenhaus, Geburtshaus, Hebammen. HealthShare fungiert dabei als eine Drehscheibe, über welche die Beteiligten auf Basis von IHE kommunizieren. Die Interoperabilitätsplattform führt die Daten so zusammen, dass sie ein gemeinsames Bild, eine „elektronische Patientenakte“ bilden.
Dabei geht es allerdings nicht nur darum, Dokumente zugänglich zu machen, sondern auch darum, mit Informationen aus diesen Dokumenten zu arbeiten, damit Mediziner, Pflegekräfte oder die schwangeren Frauen einen optimalen Nutzen daraus ziehen können. InterSystems leitet aus den Dokumenten granulare Daten ab, die dann mit den entsprechenden Lösungen analysiert werden können. Dazu erweitern wir die IHE-konformen Datensammlungen um ein eigenes, flexibles Datenmodell. Auf diese Weise können wir neben den IHE-Transaktionen auch weitere Informationen speichern, auch solche, die vom Patienten selbst stammen. Das erhöht die Menge und die Nützlichkeit der Informationen deutlich und ermöglicht so ein effektives Population Health Management. In Deutschland beschäftigen wir uns noch immer zu ausschließlich mit der Versorgung von Menschen, die schon krank sind. Mindestens genauso wichtig sind präventive Szenarien, die darauf abzielen, Erkrankungen oder Komplikationen zu verhindern.
Wie erfolgreich solche Präventionsmaßnahmen sein können, zeigt das Beispiel des Versorgungsnetzwerks Northwell Health im US-amerikanischen Bundesstaat New York. Northwell hatte es sich zum Ziel gesetzt, mehr Patienten zu einer Teilnahme an Care-Management-Programmen zu bewegen, hatte aber nur eine Erfolgsrate von 15 Prozent, wenn die Mitarbeiter die Versicherten ohne aktuellen Anlass kontaktierten. Seitdem die Northwell-Mitarbeiter mithilfe unseres Partners Healthix, der unsere HealthShare-Plattform für eine umfassende digitale Gesundheitsvernetzung einsetzt, über krankheitsrelevante Ereignisse ihrer Versicherten informiert werden, beispielsweise über einen Besuch der Notaufnahme, und die Betroffenen dann gezielt kontaktieren, liegt die Erfolgsrate bei 85 Prozent. Solche Modelle sind auch in Deutschland vorstellbar und ermöglichen es uns, stärker präventiv und nicht immer nur reaktiv zu agieren.
Um mehr Geschwindigkeit in der Digitalisierung unseres Gesundheitswesens zu erreichen, brauchen wir als zentrales Element eine konsistente und langfristig angelegte E-Health-Strategie. Und mehr Geschwindigkeit ist nötig. Das zeigt sich schon daran, dass Anbieter wie Apple oder Google immer stärker in den Markt drängen. Die Gesundheitssysteme müssen dem gute digitale Services entgegensetzen. Und wir müssen noch etwas anderes tun: Wir müssen die Perspektive wechseln. Weg von einer am Gesundheitsdienstleister orientierten Sicht auf Patientendaten, hin zu einer patientenzentrierten Sicht. Über diesen Perspektivwechsel sollten wir nicht nur reden, wir sollten ihn auch vollziehen.
[1] Integrating the Healthcare Enterprise (IHE).
[2] Fast Healthcare Interoperability Resources (FHIR).