Neue Softwarelizenzen sind noch keine Digitalisierung. Um zukunftsfest zu werden, sollten medizinische Einrichtungen und Gesundheitsorganisationen ihre digitalen Infrastrukturen so ausrichten, dass datengetriebene Geschäftsmodelle möglich werden, sagt Volker Hofmann, Manager of Healthcare bei InterSystems. Nur ein hübsches Portal – das springt zu kurz. Nötig ist eine auf Datenqualität und Interoperabilität ausgerichtete, generische Plattform.
Interview mit Volker Hofmann erschienen in E-Health-Com 4/2022
Zwei Jahre Pandemie haben vielen Krankenhäusern die Vorteile digitaler Infrastrukturen vor Augen geführt. Es gibt virtuelle Krankenhausprojekte, es gibt immer mehr Portale und App-Angebote für Patient:innen. Sind Sie zuversichtlich, dass das mehr als Eintagsfliegen sind?
Ich gehe schon davon aus, dass das keine One-Hit-Wonder sind. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl unterschiedlicher Lösungen, die konkrete Versorgungsprobleme adressieren, und das ist definitiv positiv. Die Frage ist natürlich: Wo müssen wir am Ende hinkommen? Die ganzen telemedizinischen Lösungen produzieren Daten und konsumieren Daten, für deren Übermittlung üblicherweise immer noch Schnittstellen gebaut werden. Es herrscht immer noch das klassische Silo-Denken. Davon müssen wir weg und grundlegende Dinge wie zentrale Datenbanken, Integration von Datenquellen und Datenqualität adressieren. Schlechte Daten beeinträchtigen die Entscheidungsfindung in Unternehmen und auch die Fähigkeit, Versorgungslücken zu erkennen. Die Lösung ist eine strategische, generische Plattform, die, abhängig von Security und Consent, alle Daten für alle Beteiligten in einem Gesundheitsökosystem zur Verfügung stellt. Hub-and-Spoke-Szenarien, über die wir bei der Telemedizin ja häufig reden, werden so zu einer Frage der zentralen Orchestrierung. Und die wiederum ist die Ausgangsbasis für jede Wertschöpfung und jeden Business Case.
Das heißt, ein Krankenhaus sollte sich heute so aufstellen, dass es grundsätzlich sowohl On-Premise-Versorgung als auch Remote Care beherrscht?
Definitiv. Das eine wird nicht mehr ohne das andere gehen. Es bieten sich hier unendlich viele Möglichkeiten, die Qualität zu verbessern und sich von anderen Einrichtungen abzuheben. Damit beides ineinandergreifen kann, müssen die Einrichtungen aber die Millionen von Datenpunkten, die sie erzeugen, auswerten können. Die Daten müssen integriert, harmonisiert und interoperabel sein. Da sind die meisten Häuser noch nicht. Im Kern geht es um Zukunftsfähigkeit: Wie kann ich als medizinische Einrichtung neue Prozesse und neue Versorgungs- und Geschäftsmodelle denken?
Das mit den Geschäftsmodellen ist ja so ein bisschen ein Henne-Ei-Thema: Ich brauche leistungsfähige Plattformen für zukunftsfähige Geschäftsmodelle, aber solange ein Gesundheitswesen diese Geschäftsmodelle nicht ermöglicht, investiere ich nicht. Kommen wir da voran?
Ich denke schon, dass sich dieses Rad anfängt zu drehen, auf mehreren Ebenen. Um neue Geschäftsmodelle zu etablieren, braucht es nicht nur regulatorische Rahmenbedingungen, sondern auch Partner, und denen muss Appetit aufs Mitwirken gemacht werden. Diesen Appetit wecke ich nicht mit abgeschotteten Silos. Mit einer interoperablen Plattform und einer – ich benutze mal den amerikanischen Begriff – attraktiven Digital Front Door schaffe ich das schon eher. Ein attraktiver digitaler Eingangsbereich einer Versorgungseinrichtung – und damit sind wir wieder bei den Hybrid-Modellen – sendet die Botschaft, dass ich bereit bin zu kommunizieren und mit anderen zu kooperieren. Das ist eine Grundvoraussetzung für Geschäftsmodelle. Befeuert wird das durch die zunehmende Notwendigkeit, Ergebnisqualität zu liefern bzw. nachzuweisen. Im Moment erschöpft sich eine Digital Front Door oft noch in Funktionen wie einer integrierten Terminplanung, einer Rechnungsabwicklung oder allgemeinen CRM-Funktionen. Das ist das klassische Portal, das ja dank KHZG-Förderung derzeit ein großes Thema ist. Wenn aus einem solchen Portal eine echte Digital Front Door werden soll, muss die Datengrundlage stimmen. Eine tolle digitale Eingangstür ohne die entsprechende Dateninfrastruktur ist nur eine äußerliche Schönheits-OP.
Sie sind als InterSystems international unterwegs. Haben Sie gute Beispiele für Konzepte, die eine digitale Eingangstür mit vernünftiger Datengrundlage und neuen Geschäftsmodellen verknüpfen?
Das Gesundheitssystem hat im Zuge des demografischen Wandels mit sinkenden Einnahmen und steigenden Ausgaben zu kämpfen, das ist kein Geheimnis. Schon deswegen werden sich alle Akteure mit innovativen Geschäftsmodellen beschäftigen müssen. Das passiert auch. Ein Stichwort ist Pay-for-Performance, das die Bezahlung am Behandlungserfolg festmacht. Dafür braucht es gute Daten.
Wo man sich das ansehen kann? Ein Beispiel aus unserem Kundenkreis ist die Organisation
Northwell Health, ein gemeinnütziges, integriertes Gesundheitsnetzwerk mit mehr als 74 000 Mitarbeiter:innen im Staat New York. Northwell Health setzt stark auf personalisierte Versorgung und Verbesserung der Bevölkerungsgesundheit und hinterlegt das mit Pay-for-Performance-Modellen. Das können sie, weil sie mit den InterSystems-Lösungen die nötige Plattform haben, die die Daten zur Verfügung stellen kann, die für die personalisierte Patientenansprache und die Performance-Messungen nötig sind.
Sprung zurück nach Deutschland: Wir sehen im DigitalRadar-Projekt, dass es bei der Interoperabilität in den deutschen Krankenhäusern nicht überraschend erhebliche Lücken gibt. Welche Empfehlungen geben Sie medizinischen Einrichtungen, die eine stärker digitale Versorgung umsetzen wollen?
Primär sollten sie die existierenden Fördermöglichkeiten auch für strategische, in die Zukunft weisende Themen nutzen. Sie sollten die nötige Infrastruktur aufbauen, um qualitativ hochwertige Echtzeitdaten zur Verfügung zu stellen. Das geht nicht, wenn einfach nur ein Portal an das KIS angeflanscht wird. Eine moderne Infrastruktur muss drei Dinge leisten können: Sie muss tiefere und bessere Einsichten in den eigenen Datenpool bringen. Sie muss zu einer besseren Effizienz der Prozesse führen und neue Prozesse ermöglichen. Und sie muss es ermöglichen, die Patient:innen einzubeziehen, auf zwar auf allen Versorgungsebenen, nicht nur bei der Terminbuchung.
Wie kann InterSystems die Einrichtungen konkret unterstützen?
Wir bieten eine Plattform, die
Interoperabilität, Transaktionsverarbeitung und Datennormalisierung leisten kann und die zudem hoch performant, skalierbar und zuverlässig ist. All das leisten unsere Interoperabilitätslösung
HealthShare Unified Care Record und die
Technologieplattform IRIS for Health nicht nur theoretisch: Sie sind vielfach praktisch erprobt.
Wem helfen wir damit? Das sind zum einen Krankenhäuser und Gesundheitsorganisationen, die wir bei der Integration von Systemen unterstützen und die wir mit Daten und Analysen zu einer besser koordinierten Versorgung befähigen. Zum anderen richten sich unsere Lösungen auch an Institutionen aus dem Bereich der öffentlichen, nationalen und regionalen Gesundheitsversorgung sowie an forschende LifeScience-Unternehmen. Anders ausgedrückt: Überall da, wo es im Gesundheitswesen um bessere Daten und höhere Datenqualität geht, sind wir der Ansprechpartner.