Umfassende Versorgung – ohne Silos und Sektorengrenzen
Die Notwendigkeit, Modelle für eine tragfähige Gesundheitsversorgung zu entwickeln, pressiert. Beim InterSystems DACH Symposium 2019 stellte Dr. Anna van Poucke KPMGs Vision einer nachhaltigen, koordinierten und interdisziplinären Gesundheitsversorgung vor: Sie überwindet die herkömmlichen Schranken der medizinischen Versorgung und basiert auf einem sicheren Datenaustausch, der wiederum auf Standards und Interoperabilität beruht. Genau hier treffen sich Vordenker und Macher, denn das Produktportfolio, das InterSystems für das Gesundheitswesen entwickelt hat, ermöglicht, die Vision einer Gesundheitsversorgung ohne Silos und Sektorengrenzen in die Realität umzusetzen.
Autoren: Volker Hofmann, Manager of Healthcare, InterSystems, und Cornelia Wels-Maug, Analystin, CCS Insight, und freie Journalistin
Das Gesundheitssystem ist voller Blockaden und so nicht mehr finanziell tragbar. „Gemeinsam mit unseren Partnern gestalten wir die Gesundheitsversorgung von morgen“, betont Don Woodlock, Vice President HealthShare Platforms, InterSystems. Hierfür müssen Hindernisse aus dem Weg geräumt werden, eine Vision, die er mit dem Begriff „Healthcare unbounded“ – Gesundheitsversorgung ohne Barrieren – beschreibt. Dahinter verbirgt sich die Idee, dass eine Gesundheitsversorgung, die nicht länger primär auf Papier, sondern auf Informationen in digitaler Form basiert, auch nicht mehr ausschließlich in Arztpraxen oder Krankenhäusern stattfinden muss.
Die Digitalisierung ermöglicht, sowohl die medizinische Versorgung als auch deren Dokumentation außerhalb der Mauern der traditionellen Gesundheitsinstitutionen sicherzustellen und den Weg für neue Formen der Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten frei zu machen.
Unterschiedliche Gesundheitssysteme – dieselben Herausforderungen
Wie diese Hindernisse konkret aussehen, weiß Dr. Anna van Poucke, Global Lead Care System Redesign & Sectorlead, KPMG Health Niederlande, nur zu gut aus eigener Erfahrung. Zwar gibt es unterschiedliche Gesundheitssysteme, doch sie haben alle mit denselben Problemen zu kämpfen; die chronischen Beschwerden der ins Alter gekommenen Gesundheitssysteme, die sie auflistet, klingen vertraut: ausufernde Kosten, fehlendes Personal, sich in Silos befindende klinische Patientendaten sowie Krankenhäuser, die Konkurs anmelden müssen. Hinzu kommen die – erfreulicherweise – zunehmende durchschnittliche Lebenserwartung und der damit verbundene Anstieg an Fällen chronischer Krankheiten, die die gegenwärtigen Versorgungssysteme auf eine akute Belastungsprobe stellen. Ohne grundlegende Änderungen sehen sich Krankenhäuser einem „kalten Zyklus von Insolvenzen“ ausgesetzt, erklärt van Poucke, den man jedoch mit einer „warmen Transformation“ durchbrechen könne. Angesichts dieser misslichen Lage nichts zu tun, „sei keine Option“, stellt sie klar.
Vision einer digital gestützten „warmen“ Transformation
Diese „warme“ Transformation, die zentral gemanagt werden und die Möglichkeiten der Nutzung von Daten und Technologie besser ausschöpfen müsse, hat das Ziel, die Versorgungsqualität unter den bestehenden Budgets aufrechtzuerhalten und den Druck auf Unternehmen der Gesundheitsbranche zu lindern. Dazu sei es erforderlich, die Zahl komplizierter medizinischer Fälle zu reduzieren und mehr als bisher in Prävention und Früherkennung zu investieren. Hierzu würde es naheliegen, Hausärzte mehr in die Patientenversorgung einzubinden. Doch van Poucke weiß, dass dies angesichts der ohnehin hohen Belastung und der teilweise auch schlechten Organisation der Hausärzte – zumindest in den Niederlanden – keine wirkliche Alternative darstelle. Die bestehende Gesundheitsversorgung müsse geändert werden, doch sei es bislang noch ungeklärt, mittels welcher konkreten Vorgehensweisen dies zu bewerkstelligen sei: „Wir experimentieren“, bemerkt van Poucke.
Vernetzte Versorgung, die konventionelle Schranken überwindet
Für van Poucke ist jedoch klar, dass die Gesundheitsversorgung vernetzt sein muss und die herkömmlichen Grenzziehungen sowohl zwischen den Kompetenzbereichen mentale und physische Gesundheit und Wellness als auch zwischen den Versorgungsstandorten gelockert beziehungsweise aufgehoben werden müssen. Gleichzeitig wird die Versorgung interdisziplinärer und findet mehr als bisher im eigenen Zuhause statt. Sie wird insbesondere viele auf digitalen Anwendungen beruhende Versorgungsoptionen enthalten, beispielsweise Triagebots, Monitoring, e-Learning-Module oder auch Videokonferenzen zwischen Versorgern und Patienten oder auch zwischen Versorgern untereinander.
Damit dies aber funktionieren kann, muss der sichere Datenaustausch innerhalb einer relevanten Versorgungslandschaft – auch als Region bezeichnet – funktionieren. Dies setzt wiederum sowohl die Interoperabilität verschiedener Systeme als auch eine Verständigung auf nationale Standards voraus. Dazu, so van Poucke, sei eine multidimensionale Herangehensweise erforderlich, die die folgenden Aspekte berücksichtigen solle: eine physische Infrastruktur, neue Versorgungsmodelle, eine Dateninfrastruktur, eine verbindliche Governance sowie Gesetze und Regulierungen.
Flexibilisierung der Gesundheitsversorgung und interoperable Technologie gehen Hand in Hand
Die Flexibilisierung der Gesundheitsversorgung erfordert u. a. auch interoperable Informationssysteme, sodass man die an verschiedenen Orten erzeugten Daten im Sinne einer vereinheitlichten Gesundheitsakte zusammenführen kann. Dadurch gelingt es, dass sich beispielsweise Ärzte ein vollständigeres Bild eines Patienten machen können und eine Patientenreise individueller gestaltet werden und mit weniger Duplikationen und Hindernissen vonstattengehen kann. Woodlock schildert ein eindrucksvolles Beispiel einer regional koordinierten Patientenreise, die mithilfe der Technologie von InterSystems die bisherigen Schranken der medizinischen Versorgung überwindet. Das Angebot „ Coordinate My Care (CMC)“ des Londoner Royal-Marsden-Krankenhauses rückt die Wünsche von schwerkranken Patienten hinsichtlich der eigenen medizinischen Versorgung und Pflege in den Mittelpunkt und teilt diese mit den medizinischen Versorgern. Diese Wünsche werden in einem Notfallversorgungsplan, der von allen im Großraum London an ihrer Versorgung Beteiligten (u. a. Krankentransporte, NHS-Notruf, Hausarzt, Krankenhausärzte und Krankenschwestern) sicher online eingesehen werden kann, niedergeschrieben. Er umfasst wichtige Informationen über ihre Krankheit, wie und wo sie betreut werden möchten und wer Ansprechpartner im Notfall ist.
Datenaggregation als Basis von Erkenntnissen und Innovationen – und besserer Versorgung
Die Aggregation von Daten aus interoperablen Informationssystemen erlaubt nicht nur eine nahtlosere Zusammenarbeit der Versorger untereinander, die zu einer besseren Versorgung des Einzelnen führt, sie birgt auch das Potenzial, die Versorgungsqualität einer Bevölkerung zu erhöhen, erläutert Woodlock: Die Analyse einer großen Datenmenge zu einer bestimmten Krankheit mithilfe auf künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen beruhender Algorithmen ermöglicht, neue Einsichten zu Krankheitsursachen, -verlauf und Heilungsaussichten zu gewinnen und den zu erwartenden Verlauf einer Erkrankung im Rahmen bestimmter Wahrscheinlichkeiten vorhersagen zu können. Dadurch kann beispielsweise ein Krankenhaus die Wahrscheinlichkeit errechnen, mit der ein entlassener Patient wieder eingeliefert wird.
Die Verfügbarkeit von großen Mengen qualitativ hochwertiger (anonymisierter) Patientendaten eröffnet auch für Forschung und Versorgung und deren Kollaboration neue Möglichkeiten. Eine große Hoffnung in dieser Hinsicht ist, die Zeit, die man braucht, Forschungsergebnisse in die gesicherte Regelbehandlung einzugliedern, von Jahren auf nur wenige Monate zu reduzieren.
Eine „unbeschränkte“ Versorgung für mehr Gesundheit
Die Vision von einem unbeschränkten Gesundheitswesen ohne Silos und Sektorengrenzen hat bereits begonnen, unsere bestehende Gesundheitsversorgung ansatzweise zu transformieren. Technologisch ist diese Vision machbar, wie das Beispiel des „Coordinate My Care“-Portals demonstriert. Was bislang fehlt, ist das öffentliche Verständnis, dass eine Gesundheitsversorgung, die flexibler als bisher agieren kann, nicht nur mit Herausforderungen bezüglich der Datensicherheit behaftet ist, sondern auch mit einem enormen Potenzial, die Qualität der Versorgung zu verbessern.
Dieser Mehrwert muss weit mehr als bisher auf verschiedenen Ebenen kommuniziert werden. Das InterSystems DACH Symposium ist sicherlich ein guter Multiplikator hierfür. Von wesentlich größerer Reichweite ist in dieser Hinsicht die Medizininformatik-Initiative der Bundesregierung, die den Rahmen dafür absteckt, den Mehrwert einer unbeschränkten Versorgung qualitativ und quantitativ sowohl auf der Forschungs- als auch auf der Versorgerebene nachzuweisen.
Über Cornelia Wels-Maug
Cornelia Wels-Maug ist über 25 Jahre im IT-Sektor tätig und hat sich seit 2008 auf den Einsatz von IT im internationalen Gesundheitsmarkt spezialisiert. Sie verfasst Artikel, Fallstudien, Marketingunterlagen und Weißbücher über den weltweiten Markt für IT im Gesundheitswesen und hält Vorträge und Webinare als freie Journalistin. Gleichzeitig ist Cornelia seit 2016 auch als Analystin für den internationalen Gesundheitsmarkt bei der englischen Firma CCS Insight tätig. Zuvor arbeitete sie für Ovum Ltd., Mentis Corp. (jetzt Gartner Inc.) und BIS Strategic Decisions Ltd.
Cornelia ist Diplom-Volkswirtin und studierte an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/cornelia-wels-maug-b25188102/