Krankenhäuser nutzen Patientenportale als Teil ihrer Strategie, Patienten und Patientinnen in ihre Behandlung einzubinden. Thomas Nitzsche, erfahrener Medizininformatiker und Sales Manager bei InterSystems, erläutert im Gespräch mit Cornelia Wels-Maug, Healthcare IT-Journalistin und -Analystin, welche Erfahrungen InterSystems bereits mit dem eigenen Patientenportal „Personal Community“ in den USA und in Europa gesammelt hat. Diese Erkenntnisse sind angesichts der gegenwärtigen Investitionsförderung von Patientenportalen im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) auch für Krankenhäuser in Deutschland hochaktuell.
Welche Rolle spielt Patienteneinbindung für Krankenhäuser und Versorgungsanbieter?
Thomas Nitzsche: Heute hängt der Erfolg einer Therapie schon lange nicht mehr nur von der Güte der Diagnostik und der therapeutischen Interventionen, wie der Durchführung eines chirurgischen Eingriffs oder der Verordnung von Medikamenten, ab. Viele Gesundheitsdienstleister, vor allem Krankenhäuser, wissen, dass sich auch die Patienteneinbindung positiv auf den Behandlungserfolg auswirkt und inkludieren diese in ihre patientenzentrierte Versorgungsstrategie. Gleichzeitig wünschen Patientinnen und Patienten vermehrt, aktiv in ihre Gesundung bzw. das Management ihrer Erkrankung einbezogen und über den Behandlungsprozess aufgeklärt zu werden. Krankenhäuser reagieren darauf: Sie beginnen, Patientenportale anzubieten, die Patienten genau dies ermöglichen. Wesentlich für die erfolgreiche Nutzung ist dabei auch die digitale Vernetzung mit den ambulanten Leistungserbringern, zum Beispiel den niedergelassenen Ärzten.
Was versteht man unter einem Patientenportal und welche Vorteile bringt es für Patientinnen und Gesundheitseinrichtungen?
Thomas Nitzsche: Patientenportale sind ein Instrument, Patientenbeteiligung zu ermöglichen sowie die Informationsasymmetrie zwischen Behandlern und Erkrankten abzubauen. Es ist eine benutzerfreundliche und personalisierte Webseite, die den Zugang zu verschiedenen Informationen und Funktionen ermöglicht. Im Falle eines Patientenportals erlaubt es einem Individuum, sowohl Einsicht in die eigenen Gesundheitsinformationen als auch Zugang zu spezifischen, für diese Person relevanten, Informationen und Dienstleistungen zu erhalten.
Man kann auch zwischen Patientenportalen unterscheiden, die auf einen regionalen Gesundheitsdienstleister (z. B. ein Krankenhaus oder einen Klinikverbund) oder fachspezifische Nutzergruppen (Diabetiker etc.) fokussieren. Häufig verwendete Portalfunktionen sind hierbei: Einsicht in Arztbriefe und Diagnosen, vorstationäre Aufnahme, Suche nach Symptomen und Begriffserläuterungen. Weitere Features können hinterlegte Behandlungspfade, integrierte Fragebögen, Benachrichtigungs- und Kommunikationsfunktionen, Einsicht in individuelle und allgemeine Gesundheitsdaten oder das Hochladen eigener Daten und Dokumente, zum Beispiel die Patientenverfügung, sein.
Lassen Sie uns einmal kurz in die USA schauen: Die Einrichtung von Patientenportalen erhielt dort in 2011 im Zuge der Meaningful-Use-Maßnahmen einen Push. Sie zielten darauf ab, die Nutzung der elektronischen Patientenakten voranzutreiben und damit die Versorgungssicherheit und Behandlungserfolge zu verbessern.
Laut einem offiziellen Bericht einer US-amerikanischen Regierungsbehörde des Jahres 2019 offerieren 96 % der dortigen Krankenhäuser ein Patientenportal. Diese wurden allerdings nur von ungefähr einem Viertel der Patienten genutzt. Das scheint zum Teil der eingeschränkten Nutzerfreundlichkeit etlicher Portale geschuldet zu sein, aber auch der Tatsache, dass zahlreiche Patienten in deren Gebrauch keinen großen Wert sehen. Die Pandemie hat dies allerdings geändert. Dadurch, dass die Krankenhäuser nun die Ergebnisse der COVID-Testungen in die Patientenportale einstellen, nehmen Patienten jetzt unmittelbar den Nutzen eines Portals für ihre eigene Gesundheitsversorgung wahr. Im Gegenzug verzeichnen die Krankenhäuser einen Anstieg in der Zahl der Neuregistrierungen zur Nutzung der Patientenportale.
In Deutschland sind wir allerdings noch weit entfernt von solchen Nutzerzahlen, aber wir sehen, dass die Patienten eindeutig mehr digitale Angebote erwarten. Von meinen Gesprächspartnern in Kliniken in Deutschland habe ich gelernt, dass Patientenportale bislang nur eine geringe Akzeptanz bei den Patienten erfahren; hier liegt die Nutzung wohl eher zwischen fünf und 15 Prozent, was nicht zuletzt an den eingeschränkten Angeboten für die Patienten liegt.
Welche Erfahrungen hat InterSystems mit seinem Patientenportal “Personal Community“ in den USA gesammelt?
Thomas Nitzsche: Patienten und deren Einbindung spielen eine immer wichtigere Rolle bei koordinierter Versorgung und Population Health Management. Das aktive Einbinden von Patienten und deren Angehörigen war einer der Haupttreiber bei InterSystems, das Patientenportal als Personal Community zu konzipieren. Ich bin mit diesem Ansatz schon sehr früh in Berührung gekommen, denn ich arbeitete zu der Zeit, als die Personal Community aus der Taufe gehoben wurde, gerade für mehrere Monate in der Zentrale von InterSystems in Cambridge, MA.
InterSystems HealthShare Personal Community ist eine modular aufgebaute Engagement Plattform, die es Kliniken erlaubt, schrittweise das Angebot an Funktionalitäten und Dienstleistungen auszubauen und die sich der Wachstumsstrategie einer Organisation anpasst. Unsere Kunden in den USA binden u. a. Funktionalitäten wie Analyse, künstliche Intelligenz sowie das IoMT in das Portal ein, um das Versorgungsmanagement zu verbessern.
Gleichzeitig bereichert die Personal Community das persönliche Engagement der Patienten: Das Portal verfügt u. a. über Funktionen zur Terminvereinbarung und zum Einstellen vor- und nachstationärer Dokumente sowie über eine Chatfunktion mit den Leistungserbringern. Eine Klinik kann allerdings auch Zusatzanwendungen hinzufügen, zum Beispiel aus der SMART on FHIR App Gallery, und eine Palette von Dienstleistungen in das Portal einbinden, die Patienten bei der Bewältigung des Alltags unterstützen: etwa Hol- und Bringedienste wie das Bestellen von Fahrservices durch Uber, oder andere Services wie Essenslieferungen oder das Fördern der Therapieadhärenz durch eine Yoga App. Personal Community läuft in allen gängigen Browsern auf PCs, Smartphones oder Tablets.
Wie bettet sich die Personal Community in die IT einer Einrichtung ein?
Thomas Nitzsche: Die Personal Community ist ein umfassendes, unabhängiges und erweiterbares Patientenportal. Es handelt sich um eine von den Primärsystemen unabhängige Lösung zur Unterstützung von Strategien der Einbindung von Patienten und Patientengruppen. Die Personal Community baut auf der umfassend auf Interoperabilität getesteten vereinheitlichen Patientenakte InterSystems HealthShare Unified Care Record auf, die Daten aus medizinischen Anwendungen und Verwaltungssystemen, von Wearables und anderen Quellen in einen zentralen vereinheitlichten Patientendatensatz zusammenführt. Es ist derselbe Patientendatensatz, den auch die Leistungserbringer verwenden, nur mit einer für Patienten entwickelten Benutzeroberfläche.
Mithilfe der Personal Community APIs können vertrauenswürdige externe Systeme (wie KIS- oder PVS-Systeme) oder elektronische Patientenakten (wie der ePA über die Telematikinfrastuktur) mit dem Portal interagieren, während die Benutzer dieser Systeme ihren bestehenden Arbeitsablauf fortsetzen. Als White Label Produkt kann es auch an das Look-and-Feel des Kunden angepasst werden. Es unterstützt Mehrsprachigkeit und kann als Single Sign-on Identity Provider fungieren.
Inwiefern erfüllt die InterSystems Personal Community die im Krankenhauszukunftsgesetz für Patientenportale definierten Fördertatbestände?
Thomas Nitzsche: Wir haben die Fördertatbestände vollumfänglich evaluiert und sehen uns hier gut aufgestellt. Das Feedback erhalten wir von unseren Klinikkunden und von unseren Partnern, mit denen wir bei der Implementierung zusammenarbeiten oder die unser Portal mit Funktionen aus deren Portfolio kombinieren. Die HealthShare Personal Community ist ein interoperables und modulbasiertes System. Partner der InterSystems können darüber bestimmte Teilaspekte, zum Beispiel das Überleitungsmanagement oder zusätzliche Service-Apps, wie Liefer- oder Fahrdienste uvm., bereitstellen. Wir sind bestens gerüstet, um mit der Personal Community auf die Rahmenbedingungen jedes einzelnen Kunden oder Partners einzugehen und Mehrwerte zu bieten, die neue und zukunftsfähige Geschäftsmodelle in einer sich schnell wandelnden vernetzten Versorgungslandschaft zulassen. Stellen Sie sich zum Beispiel die gerade entstehende elektronische Diabetesakte der Deutschen Diabetes Gesellschaft vor oder eine andere medizinische Fachakte, die zukünftig in Ihr Patientenportal im Sinne einer Personal Community eingebunden ist.
Mein Lieblings -Projekt zum Thema Patientenportale kommt übrigens aus Italien, dem Fondazione Policlinico Universitario Agostino Gemelli IRCCS in Rom. Das finde ich gerade auch als junger Vater interessant, da es zum Beispiel die Anzahl der notwendigen Klinikbesuche der Kinder reduziert. Ermöglicht wird dies u.a. dadurch, dass die Familien der Kinder über das Portal mit den Medizinern interagieren können und so alle Beteiligten bestmöglich miteinander abgestimmt sind.
Das Projekt selbst ist ein Roll-out über mehrere Phasen. In der gerade laufenden Phase werden Behandlungspläne erstellt und vollständig in den klinischen Workflow der Mediziner eingebettet. Im nächsten Schritt werden radiologische und andere medizinische Bildbefunde und dann die restlichen medizinischen Daten zur Bildung einer umfangreichen Patientenakte integriert. https://www.intersystems.com/resources/detail/gemellis-patient-portal-aids-remote-communication-and-treatment-plans-for-pediatric-patients
Schauen Sie auch gern unser Webinar vom "Vom Patientenportal zur Personal Community: Patienten(ein)bindung schaffen" an.
Kontakt: Thomas Nitzsche, Sales Manager, InterSystems E-Mail: Thomas.Nitzsche@InterSystems.com Mobil: 0173/7171801 LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/tnitzsche/
Autorin: Cornelia Wels-Maug, freie Healthcare IT-Journalistin & -Analystin
Cornelia Wels-Maug ist über 25 Jahre im IT-Sektor tätig und hat sich seit 2008 auf den Einsatz von IT im internationalen Gesundheitsmarkt spezialisiert. Sie verfasst Artikel, Fallstudien, Marketingunterlagen und Weißbücher über den weltweiten Markt für IT im Gesundheitswesen und hält Vorträge und Webinare als freie Journalistin. Gleichzeitig ist Cornelia seit 2016 auch als Analystin für den internationalen Gesundheitsmarkt bei der englischen Firma CCS Insight tätig. Zuvor arbeitete sie für Ovum Ltd., Mentis Corp. (jetzt Gartner Inc.) und BIS Strategic Decisions Ltd.
Cornelia ist Diplom-Volkswirtin und studierte an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/cornelia-wels-maug-b25188102/